Gerhard Fieseler, der Tiger


 
Gerhard Fieseler
Geboren    am 15.04.1896
Gestorben am 01.09.1987
Stationen: Feldflieger-Abteilung (Artillerie) 243
                  Flieger-Abteilung 41
                  Jagdstaffel 25

 Spitzname: "Der Tiger"


Anerkannte Abschüsse: 19


 

Gerhard Fieseler wurde am 15.04.1896 in Glesch im Kreis Bergheim bei Bonn als Sohn eines Bonner Buchdruckereibesitzers geboren. Fieseler wechselte 1915 zu den Luftstreitkräften. Bei einem Übungsflug stürzte er ab und musste bis Februar 1916 in einem Hospital verweilen. Danach absolvierte er die Prüfung zum Zweisitzer-Piloten und wurde im Oktober 1916 zur Feldflieger-Abteilung (A) 243 und kurze Zeit später zur Flieger-Abteilung 41 versetzt. Im Mai 1917 hatte er die Prüfungen zum Einsitzer-Piloten bestanden und wurde zur Jasta 25 versetzt.
1917 an der mazedonischen Front. Leutnant Rudolf von Eschwege war nicht mehr, aber es war kein Engländer da, der behaupten konnte, er habe den besten deutschen Jagdflieger der Ostfront besiegt. Eschwege war nicht zu ersetzen, aber an einem anderen Abschnitt der Mazedonien-Front war ein anderer, jüngerer Flieger an der Arbeit, sich den Ruf des gefürchtesten deutschen Jagdfliegers auf dem Balkan zu schaffen. Das stetige Wachsen der feindlichen Kräfte im Czernabogen und die Ausdehnung des Kampfgebietes von Vardar nach Westen führte dazu, dass zu den Fl. Abt. 30, 66 und 69 noch die Fl. Abt. 246 (A) trat. Im Winter 1916/17 war auch eine neue Jagdstaffel für diesen Frontabschnitt aufgestellt worden. Es war die Jasta 25 unter Oberleutnant Friedrich-Karl Burkhardt. Im Gegensatz zu den hauptsächlich aus Offiziersfliegern bestehenden Jagdstaffeln der Westfront gehörten fast alle Piloten dem Unteroffiziersrang an. Die erfolgreichsten unter ihnen waren der Offizierstellvertreter Reinhard Treptow und der Vizefeldwebel Gerhard Fieseler. Treptow errang bis Kriegsende sechs Luftsiege. Auch Leutnant Otto Brauneck gehörte dieser Jasta an. Jedoch wurde Brauneck am 26.07.1917 mit 10 Luftsiege abgeschossen.
Das überragende fliegerische Können Fieselers aber überragte alle. Hier bereits schuf Fieseler sich die Grundlagen jener meisterhaften Beherrschung des Flugzeugs, die ihm Jahre später den Titel des Welt-Kunstflugmeisters einbrachten. Aus der schweren Zeit des Ersten Weltkrieges sei hier eine Episode berichtet, die wegen der sich viel später ergebenden Folgerungen besonders Interesse verdient.

Fieseler hatte sich 1918 bereits den Ehrennamen „Tiger“ erkämpft. Die Staffel war von Prilep nach Canatlarzi verlegt worden, wo ihnen französische Jagdflieger gegenüberstanden. Während die Deutschen noch mit ihren alten Albatros D III und D V flogen, verfügten die Franzosen über die neuesten Entwicklungen der Firmen Nieuport und S.P.A.D. Der beste Mann auf der anderen Seite war Leutnant Alfred Fronval. Fieseler war allein zur Front gestartet. Sie waren zu wenig dort unten, um sich Formationsflüge leisten zu können. So überflog er, langsam in die Höhe kletternd, mit seiner blauen Albatros die feindlichen Linien. Aufmerksam suchte er den Luftraum nach allen Seiten ab. Die Luft schien oben rein zu sein. Aber über den deutschen Stellungen sah er die charakteristische Silhouette eines französischen Salmson-Aufklärungsflugzeugs, eskortiert von 3 Spads. Wahrscheinlich schoß der Franzose seine Artillerie ein. Das war gerade das, was Fieseler suchte. Ohne zu zögern, stellte er seinen Vogel auf die Nase und sauste abwärts in Richtung auf die 4 Maschinen. Natürlich wollte er sich den Aufklärer vorknöpfen.

Immer näher kamen die Flugzeuge, er peilte bereits über Kimme und Korn nach der Salmson. Aber instinktiv wandte er sich noch einmal um, um zu sehen, ob hinter ihm die Luft rein war. In diesem Augenblick rutschte ein dunkler Schatten direkt auf ihn zu. Ehe er noch erfasste, was sich ereignete, prasselte ihm schon der ganze Segen aus zwei französischen Maschinengewehren um die Ohren, dass er dachte, seine Kiste würde sofort auseinanderfliegen. Wie ein Automat reagierte er mit einer steilen Linkskurve und stellte aufatmend fest, dass keine lebenswichtigen Teile getroffen zu sein schienen. Aber noch war der Franzose über ihm. Auch dieser lag in einer Kurve, und im auffallenden Sonnenlicht erkannte er die Abzeichen der feindlichen Maschine: Drei Sterne im dunkelblauen Feld. Das musste Alfred Fronval sein. Man kannte sich gegenseitig schon recht gut. Fieseler machte sich auf einen schweren Kampf gefasst. Vor dem Können Fronvals hatte er Achtung; aber dem fühlte er sich gewachsen, doch die Spad seines Gegners war in jeder Hinsicht seiner alten Krähe überlegen. Er hatte nur noch einen Trumpf in der Hand. Er hatte sich zusätzlich zu den beiden starren in Flugrichtung feuernden MGs ein drittes, starr schräg nach oben feuerndes Maschinengewehr einbauen lassen. Es war ein Notbehelf, um die schneller und über 1500 Meter höher steigenden Franzosen von unten angreifen zu können. Die Kurven beider wurden enger, jeder wollte den anderen in den Rücken kommen. In diesem Augenblick merkte Fieseler, dass ihm etwas warm am Bein herunterlief. Ein Blick nach unten! Ihm wurde blitzartig eiskalt. Es war Öl. Die Ölleitung musste bei Fronvals ersten Angriff beschädigt worden sein. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Es gab nur eine Möglichkeit: Er musste innerhalb der nächsten Minuten Fronval fassen. Ein Ausbrechen aus dem Todeskarussell, das sie beide flogen, war unmöglich. Sowie er den Versuch machen würde, abzudrehen, würde Fronval hinter ihm sitzen. Dann war es aus! Er stellte die Albatros auf die Flügelspitze und drehte sich beinahe um die Querachse. Einen Augenblick hatte er den Franzosen im Visier. Seine MGs hämmerten in stählernem Stakkato. Einen Augenblick schien ihm, als sei der Franzose getroffen; aber schon lag er wieder ruhig und sicher in der Kurve. Sein Gegner begann bereits unregelmäßig zu arbeiten. Fronval hing schon wieder gut fünfzig Meter höher. Im nächsten Augenblick würde er herunterstoßen. Aber Fieseler wartete vergebens! Fronval stellte zwar seine Maschine auf die Nase und drückte in steilem Sturzflug, den er sich mit seiner stabilen Spad erlauben konnte, nach unten. Der Tourenzähler seiner Maschine zeigte Fieseler, dass es höchste Zeit war, zu verschwinden. Er nahm die Kiste herum und flog in Richtung Canatlarzi ab. Kopfschüttelnd beobachtete er, wie der Franzose seinen eigenen Flughafen anflog und am Horizont verschwand. In diesem Augenblick machte der Mercedes Motor endgültig Feierabend. Aber Gerhard Fieseler schaffte es doch, in ganz flachem Gleitwinkel seinen Flugplatz zu erreichen. Als erster rannte ihm Leutnant Bender, der Burkhardt als Staffelführer abgelöst hatte, entgegen: „Mensch, Tiger, hast du mal wieder Schwein gehabt!“ In seinen Augen sah der „Tiger“ eine solch ehrliche Freude, dass in diesem Augenblick eine Freundschaft entstand, bei der jeder sich auf den andern verlassen konnte.

Und Fronval? - Er saß in diesem Augenblick im Verbandszimmer. Der Staffelarzt hatte ihm die Kugeln bereits aus dem Arm herausgeholt, die ihm Fieseler in dem einzigen Augenblick, da er zum Schuß kam, verpasst hatte. Fronval biß die Zähne zusammen, um nicht laut loszubrüllen. Vielleicht weniger vor Schmerzen, als vor Wut. Lebhaft räsonierte er vor sich hin: „Der „Tiger“ hat mir ein schönes Ding verpasst, eh bien?! Malheur maudit! Als ich die Schüsse in den Arm bekam, dachte ich, jetzt wär Feierabend! Ich möchte, sacrébleu, nur wissen, warum er mir nicht nachkam, als ich ausgekniffen bin! Aber ich blutete wie ein Schwein, und dann nur eine Hand zum Steuern und Kämpfen, wenn man diesen Kerl als Gegner hat? Es ist zum -. Endlich kriege ich diesen Boche vor die Läufe, da passiert mir so was! Wenn ich doch bloß wüsste, warum er mich laufen ließ! Sonst schlägt er doch immer ohne Gnade und Barmherzigkeit wie ein echter „Tiger“ zu! Je ne comprend pas cela!“

Es sollten Jahre vergehen, ehe Fronval das Rätsel lösen konnte. Es war im Jahre 1927, als in Zürich zum ersten Male nach dem Krieg die Europa-Meisterschaft im Kunstflug ausgetragen wurde. Fieseler war der einzige deutsche Teilnehmer. Wie es Besiegten zukam, stand die kleine zierliche „Tigerschwalbe“, wie Fieseler die von ihm selbst entwickelte verbesserte Raab-Katzenstein „Schwalbe“ getauft hatte, ganz hinten in der Reihe der teilnehmenden Flugzeuge. Man beachtete Fieseler kaum und gab ihm kaum ein Chance. Was konnten diese lumpigen 110 PS gegen die 5 und 600-pferdigen Militärmaschinen von Breda, Dewoitine, Morane und anderen schon ausrichten? Jetzt sah er Fronval über den Platz kommen und sich zu seiner Maschine begeben. Fronval war der große Favorit des Tages. Fieseler wusste, dass es sein alter Gegner aus dem Krieg war. Fronval wusste es nicht. In diesem Wettbewerb waren sie die beiden letzten. Als der Franzose startete, war Fieseler etwas nervös. Aber in dem Moment, da sich die Startflagge für ihn senkte, war er nur noch Ruhe und Konzentration. Er wickelte sein Kunstflugprogramm mit der Genauigkeit eines Zirkels und einer Stoppuhr ab. Als letzte Figur zeigte er, was noch keiner vor ihm gezeigt hatte: den Looping nach vorn.

Es hatte sich klar erwiesen, dass der neue Kunstflugmeister nur Fronval oder Fieseler heißen konnte. Die Preisverteilung sollte erst am Abend stattfinden. Die beiden ehemaligen Gegner standen vor der Verkündung des Ergebnisses eine Weile zusammen, und bei dieser Gelegenheit erfuhren beide, warum sie sich damals gegenseitig verschont hatten. Beide lachten. - Dann kam die Preisverteilung: Fieseler war Europameister im Kunstflug, Fronval Zweiter. Wenige Monate später stürzte Fronval tödlich ab. Fieseler wurde 1934 Welt-Kunstflugmeister.
Auch als Flugzeughersteller machte sich Fieseler einen Namen. Das Aufklärungsflugzeug, der sogenannte Fieseler Storch, wurde von seiner Firma entwickelt und produziert. Im 2. Weltkrieg war das Flugzeug weit verbreitet.
 

Gerhard Fieseler starb als 91-Jähriger am 01.09.1987 in Kassel. Sein Name und seine Leistungen sind heute noch als Meilensteine der Luftfahrtgeschichte in aller Welt bekannt.

Wir haben ihn nicht vergessen.

 

Der Verfasser